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Tagungsbericht Klinische Daten im Fokus

Die Tagung "Klinische Daten im Fokus: Innovation durch exzellente Qualität, Standards und Vernetzung" im Dezember 2024 der Bayerischen Akademie der Wissenschaften beleuchtete die transformative Rolle klinischer Daten in der medizinischen Forschung. 

Sie thematisierte die Herausforderungen und Potenziale der Nutzung klinischer Versorgungsdaten in Deutschland. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Forschung, Politik und Patientenvertretungen diskutierten, wie die Datenerhebung standardisiert, die Infrastruktur vereinheitlicht und das volle Potenzial der Daten ausgeschöpft werden kann.

Kernbotschaften der Tagung

  • Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Potenzial der Datennutzung in der Forschung durch Aufklärung und Belohnung der Datenbereitstellung durch innovative Anwendungen

Die Teilhabe von Patientinnen und Patienten ist dabei entscheidend, um Vertrauen aufzubauen und die Datenqualität zu verbessern. Sicherheit und klare rechtliche Rahmenbedingungen für die Datenverarbeitung sind unerlässlich.

  • Verbesserung der Qualität von Patientendaten durch Vollständigkeit, Validität und Aktualität

Die Vielfalt der Datenquellen und Forschungsvernetzung sind wichtig für die Signifikanz der Forschungsergebnisse. Eine geeignete Infrastruktur und klare regulatorische Grundlagen für den Datenzugang und die Nutzung müssen geschaffen werden, um Innovationen zu ermöglichen.

  • Stärkung der Interoperabilität in der sektorübergreifenden Versorgung durch die verpflichtende Anwendung einheitlicher technischer Standards und standardisierter Prozesse und Datensätze

Ziel ist ein nahtloser Datenfluss zwischen ambulanten und stationären Bereichen durch die gesetzlich verpflichtende Einführung interoperabler IT-Systeme.

Datenqualität und -infrastruktur

Die Patientenbeteiligung wird als wichtiger Faktor für höhere Datenqualität angesehen, da informierte Patientinnen und Patienten präzisere Angaben machen. Die elektronische Patientenakte (ePA) gewährleistet eine strukturierte Erfassung von Versorgungsdaten und macht diese für Forschung und Primärversorgung verfügbar.

Der Großteil der Gesundheitsdaten aus Krankenhäusern blieb lange ungenutzt, da verschiedene Subsysteme ohne einheitliche Standards und Kompatibilität existieren. Deutschland wird im internationalen Vergleich als Nachzügler gesehen, wobei Länder wie Dänemark, Finnland, Israel und die Schweiz als Vorbilder dienen. Die Charité Berlin nimmt eine Vorreiterrolle in Deutschland ein mit der Teilnahme am Projekt "Digitale Gesundheitsplattform Berlin", das eine gemeinsame Infrastruktur und technische Standards entwickeln soll. Telemedizin wird als wichtiger Ansatz zur Verbesserung der Versorgung gesehen, erfordert aber koordinierte regionale Netzwerke und Personal mit digitalen Kompetenzen.

Eine gemeinschaftliche Infrastruktur ist notwendig, um das Potenzial vorhandener Technologien zu nutzen. Es wird die Vernetzung von Primär- und Sekundärdatennutzung über gemeinsame Standards und eine gemeinsame Infrastruktur empfohlen. Das Beispiel der Universitätsmedizin Essen zeigt, wie Subsysteme durch FHIR auf einer Metadatenplattform verbunden werden können, um interoperable Daten für verschiedene Anwendungsfelder bereitzustellen.

Chancen für die Gesundheitsversorgung

Die ePA könnte einer der größten Gesundheitsdatensätze der Welt werden, wenn Patientinnen und Patienten der Speicherung ihrer Daten zustimmen und Ärztinnen und Ärzte sie nutzen. Gesellschaftliches Vertrauen ist entscheidend für den Erfolg weiterführender Strukturen wie des Forschungsdatenzentrums (FDZ), das den Gesundheitsdatenzugang für Forschung regeln soll. Interaktive digitale Anwendungen können Patientinnen und Patienten mehr Mitspracherecht einräumen.

Innovation durch Datenstandards: Standardisierung ist ein zentraler Aspekt für Datenqualität und Interoperabilität. Das Beispiel des DICOM-Standards in der Radiologie zeigt das enorme Potenzial standardisierter Daten für die KI-Entwicklung. Es ist wichtig, sich an nationalen und internationalen Vorgaben zu orientieren, um Datensilos zu vermeiden.

Hochwertige Daten und Datenstandards

Standardisierte Gesundheitsdaten über längere Zeiträume sind entscheidend für fundierte medizinische Erkenntnisse. Die Zusammenführung von Daten aus verschiedenen Quellen wie Registern und der ePA ist wichtig, wobei einheitliche Standards Doppelstrukturen vermeiden können. Die Einführung einer einheitlichen Forschungsnummer wird befürwortet, unter Berücksichtigung des Datenschutzes. Die aktive Rolle der Patientinnen und Patienten bei der Pflege ihrer Daten wird betont.

Die Zersplitterung des deutschen Gesundheitssystems in Datensilos erfordert ein Umdenken hin zur Zusammenarbeit für einheitliche Datenstandards. Eine strukturierte Zusammenarbeit verschiedener Stakeholder ist notwendig, um Schnittstellen zu schaffen und eine skalierbare Infrastruktur aufzubauen. Das Leuchtturmprojekt "DigiMed Bayern" wird als erfolgreiches Beispiel genannt, das umfassende Datensätze atherosklerotischer Erkrankungen kombiniert und analysiert.

Daten für die (KI-gestützte) Forschung

Standardisierte und vollständige Trainingsdaten sind Voraussetzung für die Wirksamkeit von KI in der Forschung. Die Datenzugänglichkeit für die privatwirtschaftliche Forschung muss erleichtert werden. Es wird dafür plädiert, dem Beispiel skandinavischer Länder zu folgen, die eine gemeinschaftsorientiertere Dateninhaberschaft haben. Die Bavarian Cloud for Health Research (BCHR) ist ein zentrales Projekt in Bayern zur Vernetzung und Verfügbarmachung von Gesundheitsdaten für die Forschung. Ziel ist eine national und international anschlussfähige Infrastruktur, integriert in den European Health Data Space (EHDS). Herausforderungen bestehen in der Passfähigkeit mit dem EHDS und dem Datenschutz. Die unterschiedliche Auslegung der DSGVO in den Bundesländern stellt eine Hürde für länderübergreifende Projekte dar, ebenso wie die Beteiligung zahlreicher Ethikkommissionen, wobei hier Fortschritte erzielt wurden.

Die Tagung betonte die Notwendigkeit eines gemeinschaftlichen Aufbaus auf bestehenden Expertisen.

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