Der KI-Experte Prof. Daniel Rückert erhält den Leibniz-Preis 2025, den wichtigsten deutschen Forschungspreis. Im Interview erfahren Sie, was ihn an KI in der Medizin fasziniert, welche Stationen ihn geprägt haben und wie KI die Medizin weiter verändern wird.
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Foto: Juli Eberle / TUM
Was motivierte Sie, KI in der Medizin zu erforschen, und welche Stationen auf Ihrem Weg waren besonders prägend?
"KI ist aus meiner Sicht ein unglaublich spannendes Forschungsfeld, weil KI unendlich viele Möglichkeiten bietet, das Leben der Menschen zu verbessern, und dort spielt natürlich die Medizin eine besonders große Rolle. Wir können KI in der Medizin einsetzen, um bessere Diagnosen zu stellen, aber auch bessere Prognosen über den Krankheitsverlauf abzugeben und natürlich auch, um die Effizienz des Gesundheitswesens zu verbessern. Aus diesem Grund halte ich die Anwendung von KI für eine der spannendsten Anwendungen dieser Technologie, die es überhaupt nur gibt.
Für mich war das Interesse daran KI in der Medizin einzusetzen, schon ganz am Anfang eine große Versuchung, als ich mit meinem Promotionsstudium in London am Imperial College angefangen habe und mir überlegt habe, welche verschiedenen Anwendungen wir mit KI zum Beispiel in der Bildverarbeitung lösen können. Vor über 25 Jahren gab es eigentlich nur zwei verschiedene Anwendungen, einmal in der Medizin und zum anderen im Bereich Remote Sensing. Und da hat mich einfach die Anwendung in der Medizin mehr fasziniert."
Welche konkreten Veränderungen in der klinischen Praxis haben Ihre Arbeiten zur medizinischen Bildverarbeitung bewirkt?
"Der Schwerpunkt unserer Forschung im Bereich KI in der Medizin liegt sehr stark auf den bildgebenden Aspekten der Medizin. Bildgebende Aspekte sind zum Beispiel die Radiologie, wo medizinische Bilder durch KI schneller und besser erzeugt werden können. Das ist eines der großen Forschungsfelder, mit denen wir uns beschäftigt haben. Wir haben zum Beispiel KI-Algorithmen entwickelt, die Magnetresonanztomographie Bilder deutlich schneller und mit verbesserter Qualität erzeugen können. Das ermöglicht, den Patienten weniger Zeit im Scanner liegen zu müssen. Dadurch macht es natürlich die Bildaufnahme für den Patienten deutlich angenehmer, steigert aber auch die Effizienz der Bildgebung, weil diese sehr teuren Geräte dann deutlich effektiver genutzt werden können.
Der zweite große Anwendungsbereich dessen, was wir erforschen, ist die Bildinterpretation in der Radiologie. Das heißt, wir entwickeln KI-Algorithmen, die darauf ausgerichtet sind, den Radiologen bei der Interpretation der Bilder zu unterstützen und bestimmte Aufgaben, die der Radiologe durchführen muss, auch zu automatisieren, um dem Radiologen mehr Zeit zu schaffen, um sich auf das wirklich wichtige, die Diagnose und die Kommunikation mit dem Patienten zu fokussieren."
Welche Erfahrungen haben Sie in der Zusammenarbeit mit Medizinern und Datenwissenschaftlern gemacht, und welche Herausforderungen gilt es zu meistern?
"Die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Bereich KI in der Medizin ist eigentlich das, was mir mit Abstand am meisten Spaß macht. Wir arbeiten täglich mit Medizinern, mit Ingenieuren, mit Physikern, mit Informatikern zusammen und tauschen uns intensiv über unsere Forschungsthemen aus.
Was ich in den letzten 20 Jahren gelernt habe, ist, dass viele unserer Kollegen, die aus anderen Disziplinen kommen, sei es jetzt aus der Physik oder aus der Medizin, natürlich auch andere Sprachen sprechen. Diese Sprachen zu verstehen ist ein wichtiger Aspekt der interdisziplinären Zusammenarbeit. Es ist aber auch extrem spannend und man lernt immer wieder neue Aspekte aus anderen Disziplinen zu schätzen und besser zu verstehen."
Wie hat die Förderung durch die bayerische Hightech-Agenda Ihre Projekte beeinflusst, und welche Rolle spielt die BAIOSPHERE?
"Ich glaube, dass die Hightech-Agenda eine ganz wesentliche Rolle in unserer Forschung gespielt hat. Die Hightech-Agenda ist ja dafür verantwortlich, dass der KI-Standort Bayern deutlich gestärkt wurde und auch das Anwendungsfeld KI in der Medizin eine sehr wichtige Rolle spielt. Der Freistaat hat auch verschiedene Initiativen gestartet, um die Anwendung von KI in der Medizin voranzutreiben, z.B. die Bavarian Cloud for Health Research, die gerade aufgebaut wird und die es ermöglichen soll, alle Gesundheitsdaten, die in Bayern generiert werden, für KI-Entwicklung und für KI-Forschung, die dem Allgemeinwohl dient, zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, das ist ein extrem wichtiger Aspekt.
Darüber hinaus spielt auch die BAIOSPHERE eine sehr, sehr wichtige Rolle, weil sie diese vielen Akteure, die es in Bayern gibt, und die vielen Stärken, die wir hier in Bayern haben, alle zusammenbringt. Wir arbeiten sehr eng mit den Kollegen in München, aber auch in Nürnberg und in Erlangen und Würzburg zusammen. Diese Vernetzung mit diesen Kollegen wird durch die BAIOSPHERE sehr stark unterstützt, und deswegen sind wir der BAIOSPHERE für diese Unterstützung auch sehr dankbar."
Welche Herausforderungen sehen Sie zukünftig für KI in der Medizin und wo erwarten Sie die spannendsten Entwicklungen?
"Ja, ich glaube, das, was in der Zukunft extrem spannend sein wird, ist die Entwicklung von multimodalen KI-Ansätzen. Das heißt, Ansätze, die verschiedenste Arten von Daten integrieren können, zum Beispiel aus der Bildgebung, aus der Sensorik, aus Patientenakten, aus genomischen Daten und natürlich auch Informationen über den Lifestyle der Patienten, und daraus bessere Vorhersagen für Krankheiten und Krankheitsverläufe machen können.
Ich glaube, eine der großen Herausforderungen, die wir in der Zukunft in unserem Forschungsbereich haben werden oder auch schon haben, ist, dass wir die Entwicklungen, die in der Forschung passieren, auch in die klinische Praxis zum Nutzen der Patienten integrieren können. Das ist, glaube ich, recht schwierig. Ich glaube auch, dass das nur in enger Kollaboration zwischen Forschern und denjenigen, die Technologie kommerzialisieren, also Firmen, innovativen Startups und Hightech Firmen passieren. Es braucht natürlich aber auch ganz stark die Unterstützung der Leistungserbringer im Gesundheitswesen, das heißt der Ärzte, der Krankenhäuser, der Krankenversicherer, die für diese Leistung bezahlen und natürlich auch ganz stark die Unterstützung der Patienten. Das sind die Menschen, die eigentlich am meisten von diesen Entwicklungen und Forschungen profitieren sollten."